In einer kleinen Stadt, eingebettet in sanfte Hügel und umgeben von einem dichten Wald, lebte ein Junge namens Timo. Er war bekannt für seine lebhafte Fantasie und sein Talent, die wildesten Geschichten zu erzählen. Eines Abends, als die Sonne hinter den Hügeln unterging und der Himmel in ein Meer aus Orange und Purpur getaucht war, bereitete sich Timo auf eine besondere Gute-Nacht-Geschichte vor.
„Oma, erzählst du mir eine Geschichte?“ fragte Timo, als er sich unter seine Decke kuschelte.
„Natürlich, mein Junge“, antwortete Oma mit einem warmen Lächeln. „Aber diese Nacht werde ich dir eine Geschichte erzählen, die du noch nie gehört hast.“
Timo’s Augen leuchteten vor Aufregung. Er liebte Omas Geschichten, denn sie waren immer voller Abenteuer und Magie.
„Es war einmal ein mutiger Ritter namens Sir Cedric,“ begann Oma, „der in einem Königreich lebte, wo der Himmel niemals aufhörte zu leuchten.“
„Warum hat der Himmel nicht aufgehört zu leuchten, Oma?“ unterbrach Timo neugierig.
„Weil in diesem Königreich ein großes Geheimnis versteckt war. Ein magischer Kristall, der das Land in ewiges Licht hüllte,“ erklärte Oma.
„Wow! Hat Sir Cedric den Kristall bewacht?“ fragte Timo, seine Augen weit aufgerissen.
„Ja, aber eines Tages wurde der Kristall von einem schrecklichen Drachen gestohlen. Der Drache floh tief in den Wald, und ohne den Kristall begann das Königreich in Dunkelheit zu versinken.“
Timo saß aufrecht in seinem Bett, völlig in die Geschichte vertieft.
„Sir Cedric machte sich auf den Weg, den Kristall zurückzuerobern. Sein Weg war gefährlich und voller Rätsel, aber er war entschlossen, sein Land zu retten.“
Oma machte eine dramatische Pause und Timo hüpfte ungeduldig auf seinem Bett.
„Was ist als Nächstes passiert, Oma?“
„Im Wald traf Sir Cedric auf eine weise Eule, die auf einem alten Eichenbaum saß. ‚Hallo, edler Ritter,‘ hootete die Eule, ‚ich weiß, wonach du suchst. Aber der Weg ist nicht einfach.'“
Timo imitierte die weise Stimme der Eule und lachte. „Und was hat der Ritter gesagt?“
„Sir Cedric erwiderte mutig: ‚Ich fürchte keine Gefahr, weise Eule. Ich werde alles tun, um meinen Leuten zu helfen.'“
„Dann muss ich dir helfen,“ sagte die Eule. „Aber du darfst nicht vom Weg abkommen, sonst verlierst du dich im Wald für immer.“
„Sir Cedric nickte und folgte dem Pfad, den die Eule ihm wies. Er ging tief in den Wald, vorbei an flüsternden Bäumen und singenden Bächen, bis er schließlich die Höhle des Drachen erreichte.“
„Und dann?“ fragte Timo, als er sich wieder unter die Decke kuschelte.
„In der Höhle war es dunkel und still. Sir Cedric konnte den Drachen in der Dunkelheit schnarchen hören. Er schlich leise hinein, um den Kristall zu finden.“
„War er nicht erschrocken?“
„Ein wenig,“ gab Oma zu, „aber er wusste, dass er stark sein musste. Schließlich fand er den Kristall, der auf einem Felsvorsprung glänzte. Gerade als er ihn nehmen wollte, erwachte der Drache.“
Timo schluckte. „Oh nein! Was hat er gemacht?“
„Sir Cedric hielt den Kristall hoch und sprach zum Drachen: ‚Ich bitte dich, lass mich diesen Kristall zu meinem Volk zurückbringen. Ohne ihn werden wir im Dunkeln leben.'“
Der Drache, der noch nie zuvor eine menschliche Sprache gehört hatte, war überrascht.
„Warum sollte ich dich gehen lassen?“ brüllte der Drache, dessen Augen im Dunkeln funkelten.
„Weil auch du Teil dieses Landes bist,“ antwortete Sir Cedric. „Und jedes Wesen verdient es, im Licht zu leben.“
Der Drachesah Sir Cedric lange an, dann gab er ein tiefes, zustimmendes Grummeln von sich. „Nimm den Kristall mit, aber vergiss nicht, dass wahre Helligkeit von innen kommt,“ sagte der Drache.
Timo kicherte. „Hat der Drache wirklich das gesagt, Oma?“
„In unserer Geschichte schon,“ zwinkerte Oma. „Sir Cedric dankte dem Drachen und eilte zurück zum Königreich, den Kristall sicher in seinem Beutel.“
„Und sie lebten alle glücklich und in hellem Licht?“
„Ja, mein Lieber. Das Königreich blühte auf und Sir Cedric wurde als Held gefeiert. Die Menschen erinnerten sich immer an die Lektion, die er ihnen gelehrt hatte – dass die größte Macht in der Güte und im Mut liegt.“
Timo gähnte und kuschelte sich in seine Kissen. „Das war eine schöne Geschichte, Oma.“
Oma streichelte ihm sanft über das Haar. „Und jetzt ist es Zeit für Träumer wie dich, ins Land der Träume zu segeln.“
Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss Timo die Augen und ließ sich von den Bildern der Geschichte in den Schlaf tragen. Draußen, unter dem Sternenhimmel, schien es fast, als würde die Nacht ein wenig heller leuchten, als würden die Sterne Tims Träume von mutigen Rittern und freundlichen Drachen wiederspiegeln.
„Und sie lebten alle glücklich bis ans Ende ihrer Tage,“ flüsterte Oma, als sie das Licht löschte. „Gute Nacht, mein kleiner Held.“
Die Stille des Abends hüllte das Zimmer ein, doch in Tims Träumen dauerte das Abenteuer weiter an, voller Licht und Magie, bis der Morgen kam.